Die wenigen Zeugen echten Brauchtums müssen wir heutzutage immer gezielter dort suchen, wo man sie ganz bewusst pflegt und bewahrt. Wir finden sie in den großen Fasnachten Nord- und Südtirols. Sie sind ein sehr komplexes Erscheinungsbild im Lebens- und Jahresbrauchtum unseres Landes.
Ursprung und Fülle dieser Brauchtumsformen haben ihre Wurzeln in einer vielschichtigen, vielbedeutenden Vergangenheit.
"... ob in den Masken und im Brauchtum Spuren zu finden sind, die auf uralte Bräuche mit vorchristlichem Kult, Wachstum, Sonne und Fruchtbarkeit Heil und Segen für Mensch, Tier und Pflanze hindeuten oder ob sich in diesem Brauchtum Reste eines Sünden- und Erlösungsspiels erhalten haben, ob in den Fasnachten noch Relikte und Signale aus einer umgeformten religiösen Weltanschauung enthalten sind oder ob es um eine reine Belustigung und das bloße Spektakel geht, dies alles würde nicht hinreichen, eine Fasnacht am Leben zu erhalten."
Wie wir in den einzelnen Rubriken dieser Webseite feststellen können, bedarf es geradezu "religiöser" Antriebskräfte, die in der Tradition und Gesinnung der Brauchtumsträger zugrunde gelegt sind.
So berichten alte Handschriften von einem "eigenartigen zähen Festhalten des Volkes an diesen uralten Bräuchen, die durch kein Verbot abzustellen seien".
Die großen Tiroler Fasnachten leben in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter, der es Spaß macht, Dinge zu tun und zu verwirklichen, die ihr sonst verwehrt sind und die keine Mühe und Kosten scheut, gemeinsam diese Großleistung zu vollbringen. Die Fasnacht braucht aber auch die Gemeinschaft der Zuschauer. Es besteht eine ebenso alte wie ungeschriebene Überlieferung, dass eine Fasnacht "gelingen" muss. Das bedeutet, dass dieses Fest sowohl den Erwartungen der Brauchtumsträger als auch den Vorstellungen des Publikums entsprechen soll. Dieses Wissen steigert den Wert der Fasnacht im Bewusstsein beider Seiten – der Teilnehmer und der Zuseher.
Die letzten Erkenntnisse der Fasnachtsforschung haben ergeben, dass wir uns von der vielfach liebgewonnenen Idee verabschieden müssen, dass sich das Fasnachtsbrauchtum kontinuierlich aus vorchristlichen Festen und Fruchtbarkeitsriten entwickelt habe. Die Forschungsergebnisse zeigen deutlich, dass sich die Fasnacht besonders im Mittelalter stark verändert hat und heutige Erscheinungsformen erst nach und nach entstanden sind.
Als ältester Beleg für das Wort Fasnacht aber auch für Volksfasnacht gilt die Stelle aus Wolfram von Eschenbachs "Parzival", der um das Jahr 1200 entstand. Um die Klärung der Schreibweise Fasnacht oder Fastnacht (also mit einem "t" in der Wortmitte) haben sich ganze Forschergenerationen herumgestritten. Allerdings ist man bis zum heutigen Tag weder um die Schreibung noch um die Wortbedeutung und deren Erklärung einig. Die älteste Erwähnung des Wortes "Fasnacht" (auch "Faßnacht") für unseren Tiroler Raum entdeckte man als Randnotiz eines Fasnachtsverbotes aus dem Jahre 1610 (Tiroler Landesarchiv). Dort ist zu lesen:
"Dise betreffenden Mandata, wegen straff und abstellungen sancti Evangelisten und Apostln Mathiae Fastabend am Fasnachtstag im Brixnerischer Dioces ... angefertigt worden".
Hier wird also deutlich zwischen den beiden Begriffen "Fasnacht" und "Fastabend" unterschieden. Das Wort "Fasching" lässt sich möglicherweise auf die Wortwurzel "Fasten" zurückführen. Im Tirolischen Sprachatlas steht geschrieben: "Mit Fasching und Fasnacht wird die Zeit zwischen dem Dreikönigsfest (6. Januar) und dem Aschermittwoch (Beginn der Fastenzeit) bezeichnet.
Die letzten drei Tage werden im Eisack- und Pustertal "leschtfasnacht" ("letzte Fasnacht") genannt. Im Zillertal und in den Sprachinseln ist "Fasching" die Bezeichnung des maskierten Fasnachtsnarren.“
In der Volkskunde versteht man unter "Maske" die gesamte verkleidete Gestalt, nicht etwa nur die Gesichtsmaske, die "Larve". Das Wort Maske ist wie das Wort Scheme in der Tiroler Mundart unbekannt. Wohl aber kennt man das Wort "Maschgara" für fasnächtlich verkleidete Personen oder für das Fasnachtstreiben insgesamt.
Das Wort Maske lässt sich aus dem italienischen "maschera" (= Spaßmacher) und dem französischen Wort "masque" herleiten. In den Fasnachtsverboten seit dem beginnenden 16. Jahrhundert wird einige Male neben Fasnacht, Fassnacht, Mummereyen auch das Wort "Masqueraden" genannt. Eine andere Herleitung ist im langobardischen Gesetzbuch "Edictum Rothari" (643) zu finden. Dort wird "masca" mit "striga" (lateinisch Hexe) in einem Sinneszusammenhang gehandhabt und als Schimpfwort unter Strafe gestellt.
Die Maske der Hexe ist mit Ausnahme des Telfer Schleicherlaufens in allen großen Tiroler Fasnachten vertreten. Warum diese Maske ausgerechnet in der Telfer Fasnacht fehlt, dürfte auf strikte Einschränkungen und Verbote des 19. Jahrhundert zurückzuführen sein. Umso imponierender ist der Auftritt der Hexen bei den großen Fasnachten in Imst, Nassereith, Tramin und beim Blochziehen in Fiss.
Die Texte und Fotos der Rubrik "Andere Fasnachtsbräuche" bzw. der Nordtiroler Fasnachten wurden dem Buch "Die großen Fasnachten Tirols" von Dr. Hans Gapp entnommen.
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"Die großen Fasnachten Tirols" von Dr. Hans Gapp, ISBN 3-7066-2135-5, erschienen in der Edition Löwenzahn – Innsbruck 1996.
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Dr. Hans Gapp erteilte uns freundlicherweise die schriftliche Erlaubnis, Texte und Fotos aus seinem Buch entnehmen zu dürfen. Danke.